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Regionalregierung mit Frau, ohne Quote
Am Nachmittag wurde die Artikeldebatte zum Gesetzentwurf Nr. 1 - „Frauen in die Regionalregierung” - wieder aufgenommen.
Lucia Maestri (PD) nahm zur Kenntnis, dass die SVP mit ihrem Einlenken die Koalition retten wollte. Bei der Amtszeit für die Bürgermeister habe sie diese Bedenken nicht gehabt.
Kompatscher habe bisher nicht erklärt, warum er zu diesem Text stehe, dem man nach dem Änderungsantrag der Mehrheit habe, kritisierte Brigitte Foppa (Grüne). Kompatscher habe auch einmal gesagt, dass er sich für die doppelte Vorzugsstimme wie im Trentino einsetzen werde - da sei sie gespannt. Südtirol sei den Proporz gewohnt, dadurch säßen z.B. auch Ladiner in Regierung oder Präsidium.
Auch Lucia Coppola (Grüne) sah das Verhalten der SVP inkohärent. Um die Frauen zur Kandidatur zu bewegen, brauche es auch eine starke Frauenpräsenz in den Institutionen. Vor 30, 40 Jahren habe es noch mehr Verständnis für die Anliegen der Frauen gegeben.
Paolo Zanella (PD) meinte, dass das, was heute mit dem geänderten Artikel beschlossen werde, vor dreißig Jahren bereits eine Selbstverständlichkeit gewesen sei. Es werde eine Banalität als Fortschritt verkauft. Wenn allein die Leistung das Kriterium sein solle, dann frage er sich, warum die Frauen in der Regierung einen geringeren Anteil als im Plenum hätten.
Mariachiara Franzoia (PD) betonte, dass der nun geänderte Text ein ganz anderes Ziel habe als der ursprüngliche Gesetzentwurf. Die formelle Gleichberechtigung sei nicht genug, man könne nicht Ungleiches gleichbehandeln.
Zeno Oberkofler (Grüne) sah im neuen Text keinen Kompromiss, man habe einfach jenen nachgegeben, die keine Gleichberechtigung in der Politik wollten. Er bringe nichts Neues, er zementiere, was bereits Praxis sei. Er verwies auch auf die zahlreichen Stimmen aus der Bevölkerung zugunsten dieses Gesetzentwurfs.
Die neue Fassung bedeute, dass nur eine Frau in der Regierung sitzen werde, urteilte Maria Elisabeth Rieder (Team K), und es sei kein Kompromiss, man sei einfach vor dem Koalitionspartner eingeknickt. Sie ärgerte sich über die Frauen in den Trentiner Rechtsparteien. Sie säßen wahrscheinlich nur hier wegen der doppelten Vorzugsstimme und würden sich nun gegen eine andere Maßnahme für die Frauen wenden.
Chiara Maule (Campobase) betonte, dass das alleinige Recht zur Kandidatur nichts nütze, es brauche Unterstützung, um Frauen ihren Platz zu sichern.
Er bewundere Kompatscher für seine Mehrheit, die sich an alle Gelegenheiten anpasse, scherzte Alessio Manica (PD). Er kritisierte den Inhalt des Änderungsantrags der Mehrheit, aber auch die Methode, man habe den Gesetzentwurf umgedreht. In vielen Dingen sehe man sich weiter vorn als Italien, näher an Europa, aber hier hinke man nach. Wenn das Argument, allein die Qualität zähle, stimmen würde, säßen längst mehr Frauen in der Regierung.
Für diesen Gesetzentwurf, in seiner ursprünglichen Fassung, seien 2.000 Unterschriften gesammelt worden, bemerkte Sandro Repetto (PD). Man habe bei der Bildung der Regionalregierung gesehen, wie viel Widerstand es bereits gegen das Prinzip der Frauenvertretung gebe. Die SVP sei eingeknickt vor einer Partei, die in Südtirol nicht einmal zur Mehrheit gehöre.
Madeleine Rohrer (Grüner) stellte fest, dass die SVP den ursprünglichen Gesetzentwurf unterschrieben habe und jetzt zurückrudere. Heute hätte sie Gelegenheit gehabt, zu zeigen, dass ihr die Frauen ein Anliegen sind und dass sie keine konservative Partei sei.
Die Forderung sei legitim, stellte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), aber hier werde das Bild vermittelt, dass die Posten in der Regierung für Männer reserviert seien. Er protestierte auch gegen den Vorwurf, die Männer im Saal würden nur hier sitzen können, weil ihnen die Frauen daheim die Arbeit abnehmen würden. Er wandte sich auch gegen die Einteilung in “fortschrittlich” oder “gegen den Fortschritt”.
Der neue Text entspreche nicht mehr dem, was gefordert wurde, bemerkte Franz Ploner (Team K), und nicht geeignet, die Rechte der Frauen zu stärken. In Tirol habe die Schwesterpartei der SVP die 50-Prozent-Sollregel eingeführt. Man müsse aus dieser Machtstruktur der Männer herauskommen und den Frauen, der Hälfte der Gesellschaft, ihren Platz zugestehen.
Alex Ploner (Team K) fragte sich, woher diese Angst vor der Frauenquote komme. Es gebe einen Gender Gap, beim Gehalt wie auch bei anderen Dingen. 2020 hätten Kompatscher und Segnana einen Bericht der Euregio zum weiblichen Unternehmertum präsentiert und betont, dass es noch mehr zu tun gebe. Nun stellten sie sich gegen mehr Rechte für Frauen.
Francesco Valduga (Campobase) erklärte, dass er verstehe, dass es manchmal einen Kompromiss brauche. Den Fratelli d’Italia könne man nicht vorwerfen, sie seien kohärent mit ihrer Linie. In Kompatschers Regierungserklärung stünden viele gute Dinge, aber davon spüre man heute nichts mehr.
Präsident Arno Kompatscher sah den Kern viele Vorwürfe darin, dass er den falschen Koalitionspartner gewählt habe. Der Wunsch, selber zu regieren, sei verständlich. Der Vorwurf, nicht an der Chancengleichheit interessiert zu sein, sei nicht gerechtfertigt; so habe man bei fast jeder Neubesetzung von Verwaltungsräten in den letzten Jahren eine Frau ernannt.
Der Artikel 1 (in der neuen Fassung) wurde mit 33 Ja, 23 Nein und 4 Enthaltungen genehmigt.
Die Art. 2 (Finanzbestimmung) und 3 (Inkrafttreten) wurden ohne Debatte genehmigt.
Erklärungen zur Stimmabgabe
Es erstaune ihn, dass genau jene Parteien, die in Südtirol aufgrund des Proporzes in der Regierung säßen, sich so für diese Aufweichung eingesetzt hätten, erklärte Paul Köllensperger (Team K). Das Gesetz sei so zahnlos geworden, dass es nicht mehr gebraucht werde.
Francesca Parolari (PD) kündigte die Gegenstimme ihrer Fraktion an. In dieser Fassung verliere das Gesetz seine Zielsetzung. Man habe eine Gelegenheit zur Chancengleichheit, wie sie z.B. im Trentino die doppelte Vorzugsstimme darstelle, versäumt.
Zeno Oberkofler (Grüne) stellte fest, dass Versprechungen nicht eingehalten werden. Kompatscher habe bei der Einsetzung der Mitte-Rechts-Regierung versprochen, er werde der Garant für die Rechte sein. Heute habe er es nicht geschafft, eine so kleine Änderung zu unterstützen.
Ihre Fraktion werde ebenfalls nicht für dieses Gesetz stimmen, erklärte Chiara Maule (Campobase). Es bringe keinen Fortschritt.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf habe ein Manko beheben wollen, aber so weichgespült bringe er nichts mehr, erklärte Lucia Coppola (Grüne). Es gehe nicht um Privilegien, sondern um gleiche Chancen. Die Gesellschaft sei da weiter als die Politik.
Roberto Stanchina (Campobase) erinnerte daran, dass man, um Giulia Zanotelli in die Regionalregierung zu bringen, den traditionellen Wechsel der Landeshauptleute an der Spitze der Region aufgegeben habe.
Claudio Cia (Gemischte Fraktion) wies darauf hin, dass mit der neuen Fassung, eine Frauenpräsenz in der Regierung garantiert werde. Vorher sei das nicht Pflicht gewesen. Man könne also nicht behaupten, dass Mitte-Rechts die Rechte der Frauen beschränke. Im Trentino gebe es die doppelte Vorzugsstimme, die den Frauen gleiche Chancen garantiere. Die Frauen seien übrigens mehr an anderen Themen interessiert. Er werde für dieses Gesetz stimmen.
Michela Calzà (PD) kündigte ihre Gegenstimme an. Sie dankte Foppa für ihre Bemühungen um dieses Gesetz, das aber nun eine Fassung angenommen habe, der man nicht mehr zustimmen könne. Frauen seien beim Start benachteiligt, und das müsse man ausgleichen.
Christian Girardi (Fratelli d’Italia) wehrte sich gegen den Vorwurf, es werde nur eine Frau in der Regionalregierung geben. Deren Präsenz werde mit diesem Kompromiss gesichert, ihre Anzahl hänge von politischen Verhandlungen ab. Wenn man die Startnachteile der Frauen beheben wolle, solle man diese direkt angehen und nicht über die Änderung der Spielregeln.
Lucia Maestri (PD) betonte, dass ihre Partei über Frauenthemen nicht nur dann rede, wenn es um Quoten gehe.
Auch Maria Elisabeth Rieder (Team K) wehrte sich gegen das Argument, dass es wichtigere Themen gebe. Wenn die Kollegen dieser Meinung seien, so sollten sie doch die entsprechenden Gesetzentwürfe einbringen.
Es mute eigenartig an, gegen das eigene Gesetz zu stimmen, meinte Brigitte Foppa (Grüne). Mit der Änderung habe man das Gesetz lächerlich gemacht. Es gehe um die demokratischen Grundregeln, darum, wie man die Hälfte dieser Welt vertreten solle. Viele Gesetze zur Unterstützung der Frauen, z.B. zur Kinderbetreuung, gebe es nur, seit auch Frauen in den Entscheidungsgremien präsent seien. Mutig sei man, wenn man seine Meinung auch unter Schwierigkeiten beibehalte.
Ob eine Frau mehr in der Regionalregierung sitze, interessiere die Frauen weniger als z.B. die Sicherheit auf den Straßen, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit).
Der Gesetzentwurf wurde mit 33 Ja, 22 Nein und 6 Enthaltungen genehmigt.
Damit war die März-Sitzung beendet.
Videoaufnahmen von der Sitzung: